Alles halb so schlimm?

IMMER WIEDER MITTWOCHS
30.04.2014

  • Positive Nachrichten – Aber wer kann damit etwas anfangen?
  • Besser als nichts – Kommen Sie wirklich wieder die Griechen?
  • Politische Rechenkünste – Der bürokratische Einfallsreichtum kennt keine Grenzen
  • "Kiffen für die Konjunktur“ (SZ)
  • Durch politische Führungsstärke ganz nach unten
  • Medien – Den Krieg einfach herbeiberichten
  • Völkerverständigung – Geburtstagssause in St. Petersburg
  • Boxen für Massenmörder
  • Zum Glück – Deutschland ist auch nicht mehr das, was es einmal war.

EU-Flagge


Alles halb so schlimm?

Akropolis-Fotolia  Positive Nachrichten sind doch etwas Schönes. Da wird einem richtig warm ums Herz. Um die Osterzeit war schwer was los in Europa. Der Euro rollt auch wieder, vor allem Griechenland soll die Wende geschafft haben. Das musste sich die Kanzlerin in Athen aus nächster Nähe ansehen. Punktgenau kommt die frohe Botschaft für die Wahlvölker. Der Wahlkampf ums Kreuzchen auf den Stimmzetteln zur Europawahl hinterlässt seine Spuren. Der griechische Regierungschef hat die die Chefin seiner europäischen Schwesterpartei persönlich vom Flughafen abgeholt. Allein durch die gesperrte Innenstadt wollte er sie nicht fahren lassen: zu trist und zu gefährlich. Gerade am Tag zuvor war eine Autobombe hochgegangen. Dennoch gab es etwas zu feiern: den „Primärüberschuss“.

   Einfache Menschen können damit überhaupt nichts anfangen und haben auch nichts davon, eine klamme Regierung aber durchaus. Dieser Primärüberschuss ist eine Zahl, die von Statistikern errechnet wird. Wenn kein Minus davorsteht, wird das als gutes Zeichen interpretiert. Dabei muss man den ganzen Schuldenberg mitsamt der darauf  lastenden Schuldzinsen einfach außer Acht lassen. Der Staat hat unter dieser Betrachtungsweise seine eigentlichen Aufgaben aus der eigenen Tasche bezahlt. Er hat zwar noch sehr viel Belastendes am Hals, könnte aber sein täglich Brot aus eigener Tasche (genauer den Steuertaschen seiner Bürger und Bürgerinnen) bezahlen, wenn nur die Altlasten nicht wären.

Euro-Rettungsschirm   Das ist besser als nichts, verhindert aber keineswegs eine weitere Verschuldung. Das konnte auch sofort in natura besichtigt werden. Umgehend wurde erfolgreich eine Staatanleihe über 3 Milliarden Euro „platziert“.  Scheinbar ein totsicheres Geschäft für renditesuchende Großanleger. Der Europäische Rettungsschirm ist aufgespannt. Da kann kaum was passieren. EZB und ESM werden es im Ernstfall (auch) mit Steuergeldern richten. Das Geld liegt bei den Großen doch nur rum. Auf dem herkömmlichen Weg bekommen sie auf dem aktuell niedrigen Zinsniveau kaum etwas dafür. Da ist eine scheinbar „sichere“ Staatsanleihe zu knapp 5 Prozent ein wahrer Leckerbissen.

   Politisch brauchen alle Beteiligten einen Erfolg: die deutsche Kanzlerin als Bestätigung ihres „alternativlosen“ Kurses daheim, die griechische Regierung, weil sie auf die Gaben von EZB und IWF angewiesen ist und Europäische Zentralbank (EZB) und Internationaler Währungsfond (IWF) als sichtbaren Nachweis für segensreiche Tätigkeit. Da gehen kritische Betrachtungen schnell im Propagandagetöse unter, noch dazu wenn zu den europäischen Wahlurnen gerufen wird.

Notarzt-Ambulanz   Nach den früheren Erfahrungen mit den griechischen Rechenkünsten wird sicher nicht ganz zu Unrecht eine kritische Prüfung der Zahlen angeregt. Denn das Plus für den Primärüberschuss fällt mit 0,8 Prozent denkbar gering aus. Wer weiß, wie es aussähe, wenn der griechische Staat alle aktuell offenen Rechnungen (wir sprechen nicht von Zinsen) bezahlen würde. Es ist ein offenes Geheimnis und Ärgernis für die Betroffenen, dass gerade mal das wirklich Allernotwendigste überwiesen wird. Das ist so, als ob im Krankenhaus nur mit Notstromaggregat operiert wird und die Kassen nur um einen ganz kleinen Spalt geöffnet sind, damit im Land die Lichter nicht ganz ausgehen.

   An der Verschuldungssituation ändert sich durch diesen geringen Überschuss nichts.  Fachleute haben errechnet, dass derzeit ein Primärüberschuss von 17 Prozent notwendig wäre, um an einen echten Schuldenbewältigung („Schuldentragfähigkeit“) denken zu können. So etwas gilt schlichtweg als ausgeschlossen. Das bestätigt die weitere Zunahme der Staatsverschuldung im Verhältnis zum Brutto Inland Produkt (BIP) auf etwa 175 Prozent im 4. Quartal 2013 (zum Vergleich: Zypern = 111,7% Deutschland = 78,4% und Schweden = 40,4%). Das läuft geradewegs auf einem Schuldenschnitt als alternativlose Alternative zu. Völker öffnet schon mal die Kassen.

Statistik: Staatsverschuldung in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union im 4. Quartal 2013 in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) | Statista
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista

 

   Regierungen haben in Verbindung mit den medialen Werbetrommeln einen entscheidenden Überlebensvorteil gegenüber den gewöhnlichen Sterblichen. Sie können den Untergang bis zum endgültigen Aus mit Tricks immer wieder hinauszögern. Was aber macht der Normalo in einer solchen Situation? Nehmen wir an, die Familie hat ein bescheidenes Häuschen und ein Einkommen von 5.500 Euro pro Monat (Früher, als beide Ehepartner Einkommen nach Hause brachten, waren es noch 9.000 Euro). Nehmen wir weiter an, dass 5.000 Euro für das (Über)Leben draufgehen. Dann hat er einen Primärüberschuss von 500 Euro. Wenn er jetzt noch 100.000 Euro Schulden hat (die Hypothek, den Autokredit, der ausgereizte Dispo, …) fallen zum Beispiel 8 Prozent Zinsen an. Das sind 800 Euro.

   Da nutzt der Primärüberschuss überhaupt nichts. Die Verschuldung wird nicht abgebaut, denn es fehlen ja 300 Euro. Die Familie kann sich im Gegenteil weiter verschulden, solange das die Bank mitmacht. Wenn die eines Tages „Schluss“ sagt, ist die Familie das Häuschen, das Auto und den guten Ruf beim Geldgewerbe los, trotz  Primärüberschuss. Der ist keinem Sender und keinem Blatt auch nur ein einziges Wort wert.

   Wir alle haben schlechte Karten gegen den Einfallsreichtum der „öffentlichen Hand“. Wir können strampeln wie wir wollen, so ein goldenes Händchen bleibt uns versagt. Wie segensreich könnte es für manchen sein, wenn das real würde, was die europäische Staatengemeinschaft auf Verwaltungsebene sich hat zugutekommen lassen. Sollte es jemand übersehen haben (viel Wirbel gab es bisher nicht), sei er noch einmal darauf hingewiesen: am 14. August 2014 wird jeder und jede Deutsche, ob Baby oder Greis um etwa 1.000 Euro reicher. Szenekenner meinen, das geschieht nur,  damit die Staatslenker in besserem Lichte dastehen.

   Das Statistische Bundesamt ändert zu diesem Termin einfach die Berechnungsmethode und schwupp schnellt das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 3 Prozent in die Höhe. Das sind 85 Millionen Euro.  Dummerweise fließt uns kein einziger Euro in die Tasche. Auf übergeordneter Ebene können wir uns aber einen reinlügen. Mit der neuen Berechnung bekommen die Staaten ihre Verschuldung besser in den Griff, zumindest auf dem Papier. Denn, wie schön, die staatliche Ausgabenfreundlichkeit wird ja im Verhältnis zum BIP ausgedrückt. Wer die Bruchrechnung in der Schule nicht verschlafen hat, weiß: ein größerer Nenner verkleinert das Ergebnis das Ergebnis. Ein Viertel (1/4) ist kleiner als ein Halbes (1/2). Und schließlich steht das  BIP im Nenner.

Zylinder-Euro-Fotolia   Wie gelingt so etwas. Ganz einfach: man definiere etwas als Leistung, was vorher noch keine war. Da lässt sich an einigen Schrauben drehen. Was vorher reine Kosten waren, deklariert man einfach zu Investitionen und die fließen ins BIP. Vortrefflich eignen sich dazu Forschungs- und Entwicklungskosten. Die sind künftig mit dabei. Kosten können immer auch in den Sand gesetzt werden oder die Leistung sogar verringern. Werden sie dem Bruttoinlandsprodukt zugeschlagen, haben sie wenigsten noch zu einer Schönheitsoperation getaugt. Insgesamt dürfte dieser Posten in Deutschland ein großer Batzen sein.

   Clever ist es auch die Ausgaben fürs Militär umzudeklarieren. Bislang wurden nur die Gebäude berücksichtigt. Jetzt fließt alles, ob Kampfjet, Panzer oder Sturmgewehr in die Berechnung mit ein, als Investition in unsere Sicherheit. Das Bruttoinlandsprodukt misst die Leistungen und hergestellten waren eines Landes. Dazu werden in Zukunft auch immer mehr Dinge gehören, die sonst eher mit spitzen Fingern angefasst werden. Aber erwirtschaftet ist erwirtschaftet. Was man da nicht so genau ermitteln kann wird geschätzt. Eine ganz vorzügliche Stellschraube. Denn welcher Drogendealer führt schon ein reguläres Kassenbuch und gibt Umsatz- und Einkommensteuererklärungen ab.

   Wie titelte die Süddeutsche Zeitung so schön: „Kiffen für die Konjunktur“. Sie schreibt weiter:

   „Erwirtschaftet ist nun einmal erwirtschaftet – und deshalb wird künftig auch die Wirtschaftsleistung von Drogendealern und Zigarettenschmugglern im Bruttoinlandsprodukt eingerechnet. Die EU will es so und für den Staat hat die neue Berechnungsmethode einen erfreulichen Nebeneffekt.“ (www.sueddeutsche.de 25. März 2014)

Statistik: Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union in jeweiligen Preisen im Jahr 2013 (in Milliarden Euro) | Statista
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista

    Setzen wir nach dem Lichtblick aus Griechenland und dem Aufwärtstrend unseres Bruttoinlandprodukts mit einer weiteren aufmunternden Begebenheit fort. Den deutschen Exkanzler und Hartz Vier Erfinder wird es ärgern, dass er nicht auf die Idee mit der schlauen Berechnung des BIP gekommen ist. Aber er hat ganz offensichtlich sein sicheres Gespür für die Teilung der Nation nicht verloren. Er könnte durchaus in die politischen Lehrbücher eingehen. Denn bis zum heutigen Tag wird er von Experten für höhere Gehaltsstufen dafür gelobt, dass er den Mut bewiesen hat, zu der öden Zweiteilung „Ihr da oben, wir da unten“ eine dritte Komponente hinzuzufügen. Wir kennen nun auch die von „ganz unten“. Das ist wahre politische Führungsstärke. Die einen führt sie in luftige Höhen, die anderen in dunkle Keller.

   Dieser Tage ist er wieder zur Hochform aufgelaufen und hat alle Kriegs-herbei-berichterstatter eines Besseren belehrt. Die deutsche Politik wird es vielleicht noch zu schätzen wissen, dass ihr ein leibhaftiger Bundeskanzler von einem in Russland verwurzelten Firmenkonsortium (Nord Stream AG zu  51% Gazprom) abgeworben worden ist. Denn wir haben seither einen Experten für demokratische Lupenreinheit an vorderster Front. Es kann außerdem nicht so schlecht um ein friedvolles Europa bestellt sein, wenn ein deutscher Ex-Kanzler und ein amtierender russischer Präsident nach leidvoller historischer Erfahrung  in St. Petersburg eine Geburtstagssause vom Stapel lassen.

   Natürlich werden da die Nasen gerümpft.  So etwas geht nicht durch im politisch korrekten Lager. So etwas schickt sich nicht in unruhigen Zeiten. Aber sind wir doch einfach froh, dass der „Zar“ sich nicht zu schade ist, mit einer treuen deutschen Freundesseele einmal richtig zu feiern. Mit wem soll der denn sonst kuscheln, wenn alle anderen auf ihn mit dem Finger zeigen wie auf den leibhaftigen Teufel und ihn überall vor die Tür setzen. Wer feiert sündigt nicht oder wenigsten auf verträgliche Weise.

   Dabei dürfen wir uns ruhig daran erinnern, dass sich deutsche Politik vor nicht allzu langer Zeit auf russischem Territorium und auch in der Ukraine in Kiew keineswegs durch Ruhmestaten hervorgetan hat. Ob ausgerechnet dort für das unlängst angedrohte verstärkte deutsche weltweite politische Engagement (Politmarketing: „mehr Verantwortung übernehmen“) ein Exempel statuiert werden muss, darf zumindest Nachdenklichkeit auslösen. Das führt uns zum letzten Lichtblick dieser Ausgabe. Den verdanken wir einem fast 88-jährigen aktiven Sportjournalisten.

    Noah Klieger wurde 1926 in Straßburg geboren und lebt heute in Tel Aviv. 1942 wurde er von der Gestapo verhaftet und 1942 nach Auschwitz deportiert. Der Lagerkommandant von Auschwitz  III/Monowitz und Massenmörder Heinrich Schwarz ließ sich dort durch Boxkämpfe der Gefangenen unterhalten. Bei Ankunft im Lager wurde regelmäßig gefragt, wer Boxer sei. Obwohl er noch nie im Leben geboxt hatte, hob der Neuankömmling Klieger intuitiv die Hand und bekam so eine ganz winzige Chance die industriell organisierte Vernichtungsmaschinerie zu überleben.

   Wer wieder einmal an den Widrigkeiten des Lebens, den eigenen oder den Unzulänglichkeiten anderer verzweifelte, wer strangulierender Bürokratie, unerträglicher Dummheit und Kleinkariertheit die Pest an den Hals wünscht, dessen Not könnte vielleicht durch die verblüffende Erkenntnis dieses Zeitzeugen über Deutschland gelindert werden.

   Das Zitat ist der Schluss des Artikels „Das Glück des Boxers von Auschwitz“ von Christian Eichler aus der FAZ vom 26. April 2014.  („Im Vernichtungslager, sagt Noah Klieger, „hat niemand überlebt, wenn nicht durch viele Wunder“. Eines davon war das Faustkampf-Faible eines SS-Mörders …“)

„ … beim Besuch von Joachim Gauck 2012 war er Bankett-Gast. Erst verstand er nicht, warum auf der Einladung unterschiedliche Namen für den Bundespräsidenten und seine Begleitung standen. Dann begriff er und staunte: „Ein protestantischer Pfarrer, der verheiratet ist und mit einer anderen Frau lebt, als Bundespräsident.  Komische Sitten heute.“ Er lacht herzlich. Darüber, dass dieses Land heute unpünktliche Züge hat und unfähige Flughafenplaner und einen Bundespräsidenten in wilder Ehe. „Deutschland“ sagt Noah Klieger am Ende des Berliner Frühlingsnachmittags, der eine Reise in ein Jahrhundertleben war: „Deutschland“ ist nicht mehr das, was es einmal war.“ Es ist ihm eine Freude.“


Bonus für Stammleser und Leserinnen

Nach beharrlichen Rückfragen
erscheint hier am Samstag, dem 03. Mai 2014
eine weitere Sonderinformation mit der Weiterführung der Beispiele aus der letzten Folge

Zu schön um wahr zu sein?

Es wurde erkannt, dass hier bares Geld auf der Straße liegt.


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