IMMER WIEDER MITTWOCHS
29.01.2014
Gefährliche Mitte
Heute war Regierungserklärung. Wer sich diesen sich diesen Begriff wohl ausgedacht hat? „Regierungserklärung“, das erinnert irgendwie an Steuererklärung. Dort wird ja auch nicht wirklich etwas erklärt und schon gar nicht die Steuer. Das Finanzamt weiß im Grunde schon alles, vor allem, was Steuern sind. Die Leute müssen nur noch einmal aufschreiben, was sie so übers Jahr eingenommen haben. Davon dürfen sie dann wieder ein paar Ausgaben abziehen und das Finanzamt bittet zur Kasse.
Weil Ämter grundsätzlich sehr misstrauisch gegenüber den Bürgern und Bürgerinnen sind, muss ohnehin schon ein üppiger Vorschuss an den Finanzminister gezahlt werden. Besonders groß ist das Misstrauen gegenüber den Lohn-und Gehaltsempfängern. Die kriegen vorsichtshalber erst einmal alles vom Lohn abgezogen und später manchmal etwas wieder, wenn zuviel einbehalten worden ist. Bei Regierungserklärungen wird eigentlich auch nichts richtig erklärt. Nur ist es dort nicht wie beim Finanzamt, sondern umgekehrt. Die Bürger und Bürgerinnen wissen oft gar nichts. Geld bekommen sie auch nicht zurück, wenn eine Regierung vorher zu viel versprochen hat.
Aber auch für Regierungserklärungen gilt: die Hoffnung stirbt zuletzt. Das kommt daher, weil im Abstand von vielen Jahren weltweit immer mal Regierende auftauchen, die tatsächlich den Menschen etwas erklären, etwas versprechen und diese Versprechen auch halten, sofern sie nicht vorher umgebracht werden. Die Wahrscheinlichkeit wegen des Inhalts einer Regierungserklärung einem Attentat zum Opfer zu fallen ist aber meistens gering. Im Falle der Regierungserklärung von heute dürfte sie schätzungsweise bei Null liegen.
Das einzige, was bei solchen Angelegenheiten in der Regel stirbt, sind Hoffnungen. Wer also heute für sich und seine eigene und die Zukunft seiner Lieben etwas in Erfahrung bringen wollte, ist wohl leer ausgegangen. Dafür ist etwas anderes nicht sonderlich angenehmes passiert. Der Mensch ist in den Mittelpunkt gerückt worden, zumindest nach den Vorstellungen der Kanzlerin. Das versuchen auch Unternehmen immer wieder sehr werbewirksam. Das ist aber mit das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann.
Auf der einen Seite weiß er dann immer sofort, dass er bisher eher an den Rand gedrängt war und ein Schattendasein geführt hat. Jetzt steht er plötzlich in der Mitte. Er merkt dann aber sehr schnell, dass er dort nur stört. Bis zur nächsten Regierungserklärung verschwindet er deshalb auch meistens wieder in die Randgebiete.
Auch in Regierungserklärungen geht es immer wieder ums liebe Geld. Wenn sich in der Mitte zu viele Menschen tummeln, ist dort für jeden Einzelnen natürlich weniger zu holen. Das große Geld, wird oft in den Nischen gemacht. Das ist eine nicht von der Hand zu weisendende Erfahrung. Was eine Marktnische ist, weiß jeder. Aber, wie gesagt, da passen immer nur wenige rein. Meistens sind sie schon besetzt.
Um in Einkommensnischen zu gelangen, hat sich das Drehtürprinzip bewährt. Mithilfe solcher Drehtüren gelangt man ohne große Anstrengung von einer Seite zur anderen. Nähert sich eine Wahlperiode ihrem Ende, wird der Boden zu heiß unter den Füßen oder der Job zu stressig, schwupp ist der Politiker oder die Politikerin durch die Drehtür auf der anderen Seite und bringt seine nützlichen Erfahrungen und Verbindungen in Wirtschaftunternehmen, Verbände oder einfach nur in ruhigere lukrativere Mandate ein.
Diese Umsteigebahnhöfe funktionieren natürlich auch in die andere Richtung. Führungspersonal aus der Wirtschaft und den Interessenverbänden finden so zum Wohle ihrer bisherigen Gönner den Weg ins Regierungsviertel. Diese Art der Karriere- und Lebensplanung können halt nur wenige für sich nutzbar machen. Die in die Mitte gestellten Mitbürger und Mitbürgerinnen scheiden für diese Transfers aus.
Anders sieht es für einen Regierungschef aus. Wenn der die Nase voll hat und seine Parteifreunde in zu sehr triezen, geht er einfach durch die Drehtür. Das sei nur deshalb hier erwähnt, weil einem früheren Kanzler der Republik, der Drehtüreffekt für einen einzigen seiner neuen Jobs (er hat inzwischen mehrere) 250.000 Euro im Jahr einbringt. Als Aufsichtsratschef muss er dazu jährlich nur 4 Sitzungen praktischerweise am Flughafen Zürich leiten. Das hört sich doch besser an, als ständig Regierungserklärungen abgeben zu müssen. Wir neiden es ihm nicht. Im Gegenteil, wir wissen, was machbar ist und das unser Projekt – 199.000 Euro in 500 Tagen – so vermessen gar nicht ist.
Auch die deutschen Konzernaufsichten müssen sich mehr plagen als der Altkanzler. Vor allem sind von Ihnen jeweils Tausende von Mitarbeitern und Mitarbeitern abhängig. Bei der Nord Stream AG, dort ist der Exkanzler unter Vertrag, ist die Belegschaft inzwischen auf 50 Leute zusammengeschrumpft. Das Unternehmen betreibt die Ostsee-Gaspipeline. Hauptaktionär der 5 Anteilseigner ist mit 51 Prozent die russische Gazprom (BASF-Tochter Wintershall und E.ON halten je 15,5 Prozent, N.V Nederlandse Gasuni und GDF SUEZ sind zu je 9 Prozent beteiligt). Insofern gehörte es wohl auch zu den PR Aufgaben des Aufsichtsratschefs, seinem russischen Geschäftsfreund lupenreine demokratische Qualitäten zu attestieren.
Der Arbeits- und Zeitaufwand von Aufsichtsräten hält sich generell in engen Grenzen. Deswegen ist es nicht selten, dass ein und die selbe Person gleich mehrere Aufsichtsratsmandate auf sich vereinigt. Werfen wir mal eben einen Blick auf die Einkommensrangliste der 30 DAX Konzerne. Die Drehtür hat den den ehemaligen Ministerpräsidenten und Bundeskanzler ganz locker in den grünen Bereich der DAX-Bezüge katapultiert.
DAX Unternehmen
Bezüge der Aufsichtsräte im Jahr 2012
Unternehmen | Jahres- bezüge |
Monats- bezüge |
Rang |
VW | 1.108.100 | 92.342 | 1 |
Siemens | 560.000 | 46.667 | 2 |
BMW | 505.000 | 42.083 | 3 |
BASF | 475.000 | 39.583 | 4 |
E.ON | 440.000 | 36.667 | 5 |
Linde | 414.750 | 34.563 | 6 |
Allianz | 396.700 | 33.058 | 7 |
Deutsche Lufthansa | 375.000 | 31.250 | 8 |
Daimler | 373.200 | 31.100 | 9 |
Münchner Rück | 339.000 | 28.250 | 10 |
Bayer | 335.000 | 27.917 | 11 |
SAP | 310.000 | 25.833 | 12 |
Deutsche Bank | 285.000 | 23.750 | 13 |
K+S | 257.000 | 21.417 | 14 |
Deutsche Börse | 249.800 | 20.817 | 15 |
RWE | 249.000 | 20.750 | 16 |
Commerzbank | 237.500 | 19.792 | 17 |
Deutsche Telekom | 232.800 | 19.400 | 18 |
Beiersdorf | 227.500 | 18.958 | 19 |
Deutsche Post | 213.500 | 17.792 | 20 |
Thyssen Krupp | 210.500 | 17.542 | 21 |
Metro | 191.700 | 15.975 | 22 |
Henkel | 184.000 | 15.333 | 23 |
Fresenius SE | 161.000 | 13.417 | 24 |
Infineon | 142.500 | 11.875 | 26 |
HeidelbergCement | 130.000 | 10.833 | 27 |
MAN | 130.000 | 10.833 | 27 |
Fresenius Medical Care | 124.000 | 10.333 | 29 |
Merck | 79.318 | 6.610 | 30 |
Durchschnitt: | 297.896 | 24.825 |
Im Vergleich zu den operativen Chefs, den Vorständen, sind die Aufsichtsräte allerdings eher Kleinverdiener. Schauen wir uns die Bezüge der Vorstandsvorsitzenden an:
DAX Unternehmen
Bezüge der Vorstandsvorsitzenden im Jahr 2012
Unternehmen |
Jahres-
bezüge
|
Monats-
bezüge
|
Rang |
VW | 14.511.276 | 1.209.273 | 1 |
SAP | 8.222.250 | 685.188 | 2 |
Daimler | 8.153.000 | 679.417 | 3 |
Siemens | 7.871.173 | 655.931 | 4 |
Deutsche Bank | 7.426.663 | 618.889 | 5 |
Linde | 6.920.482 | 576.707 | 6 |
BMW | 6.627.069 | 552.256 | 7 |
Henkel | 6.109.439 | 509.120 | 8 |
Allianz | 5.798.000 | 483.167 | 9 |
E.ON | 5.712.703 | 476.059 | 10 |
Merck | 5.549.000 | 462.417 | 11 |
Deutsche Post | 5.353.179 | 446.098 | 12 |
BASF | 5.286.000 | 440.500 | 13 |
Bayer | 5.062.000 | 421.833 | 14 |
RWE | 4.949.000 | 412.417 | 15 |
Fresenius Medical Care | 4.428.000 | 369.000 | 16 |
Deutsche Telekom | 3.984.699 | 332.058 | 17 |
Thyssen Krupp | 3.847.000 | 320.583 | 18 |
Heidelberg Cement | 3.755.000 | 312.917 | 19 |
Fresenius | 3.494.000 | 291.167 | 20 |
Deutsche Börse | 3.401.500 | 283.458 | 21 |
Infineon | 2.900.081 | 241.673 | 22 |
Metro | 2.860.000 | 238.333 | 23 |
adidas | 2.666.000 | 222.167 | 24 |
Beiersdorf | 2.593.000 | 216.083 | 25 |
K+S | 2.592.800 | 216.067 | 26 |
Münchner Rück | 2.393.046 | 199.421 | 27 |
Deutsche Lufthansa | 2.213.467 | 184.456 | 28 |
MAN | 1.952.000 | 162.667 | 29 |
Commerzbank | 1.392.000 | 116.000 | 30 |
Durchschnitt | 4.934.128 | 411.177 |
Eigene Auswertung (ohne Gewähr)
Quelle: Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V.
In den Weihnachtsferien wollte sich die Kanzlerin sportlich betätigen. Der Skilauf ist aber gründlich daneben gegangen. Deshalb musste Sie Ihre Erklärung im Bundestag auch im sitzen abgeben. Dabei wäre körperliche Ertüchtigung durchaus angezeigt gewesen. Denn nun hat Sie das Volk wieder auf harte Zeiten eingestimmt. Eine Herkulesaufgabe läge vor ihr und uns. Ja, die Energiewende hat es in sich. Ständig warnt ja auch jemand, dass bei uns die Lichter aus gehen, wenn nicht …
Aber selbst wenn die Lichter schön hell leuchten, bleibt nicht nur der Politik die bange Frage: wer soll das bezahlen. Für die Strompreise soll die sonst heilige Wachstumsregel außer Kraft gesetzt werden. Da wird die Chefin allerdings aufstehen und sich bewegen müssen. Denn das Problem trifft ja all diejenigen Menschen, die jetzt plötzlich in ihrem Mittelpunkt zusammengetrieben worden sind. Für Konzernlenker, Altkanzler, Altpräsidenten, aktuelle Mandatsträger und Drehtürpassanten drängt sich die Stromkostenfrage nicht so sehr auf.
Mit dem Mindestlohn 8,50 Euro pro Stunde, knapp 1.500 Euro pro Monat ist niemand gegen die Steigerung der Lebenshaltungskosten gewappnet. Zudem kommt der erst 2015 und dann gibt es noch eine Übergangsfrist bis 2017 und weitere Ausnahmeregelungen. So wird es uns erklärt. Aber die Regierung erklärt auf der anderen Seite wiederum: uns geht es eigentlich gut, besser als vielen anderen auf der Welt. Da taucht dann die Frage auf, wozu brauchen wir eine Mindestlohnregelung überhaupt, wenn es uns doch so gut geht?
Wir haben hier auch viel weniger Arbeitslose (auch so eine seltsame Wortschöpfung) als sonstwo auf der Welt. Wer den Menschen die Erklärung vorenthält, warum dies so ist, könnte sich durchaus dem Vorwurf zumindest der Fahrlässigkeit ausgesetzt sehen. Vielleicht stimmt da ja irgendetwas nicht. Vielleicht kochen wir hier im Lande ein Süppchen zu Lasten anderer. Dann beschimpfen wir diejenigen, die an unserem Wunderwerk Gefallen finden, als Armutszuwanderer oder ganz Gerissene, die unser Sozialsystem unterwandern. Wir erklären uns dagegen fortwährend zum Exportweltmeister. Warum exportieren wir unser Wunder nicht in die Welt statt Panzer U-Boote und Granaten? (ARD: Waffen für die Welt)
Übrigens: Was der eine exportiert, müssen andere importieren. Und was importiert wird, muss bezahlt werden. Wer mehr importiert als exportiert, braucht mehr Geld als er einnimmt. Und wer mehr Geld ausgibt als er einnimmt …..
Quelle: Statista
So detailliert war die Regierungserklärung nicht, dass sich auf diese Fragen hätten Antworten herleiten lassen. Im Grunde ist die wesentliche Frage überhaupt nicht aufgetaucht: wie kommt es zu einer gerechteren Verteilung des Wohlstands, Denn diesen gibt es ja reichlich. Dieser Tatsache widerspricht nie jemand. An die gerechte Verteilung traut sich aber niemand heran. Allerdings scheint man diesem Thema gut beraten zu sein, den Finger nicht immer ausschließlich auf die Politik zu richten.
Es könnte ja durchaus sein, dass wir in dieser Frage tatsächlich fast alle in einem Boot sitzen und uns gar nicht immer klar ist, wer den Kahn denn nun steuert. Es ist ja ein beliebter Sport, über das Fernsehen herzuziehen. Sternstunden gibt es aber dennoch immer wieder. Das vieldiskutierte „Öffentlich Rechtliche“ hat vor kurzem eine solch Sternschnuppe über der Kanal huschen lassen. Das sollten Sie sich auf keinen Fall entgehen lassen:
Die Story im Ersten: Geld regiert die Welt
Wenn Arbeiter in Deutschland auf die Straße gehen, weil ihre Firma die Löhne drücken will oder Mieter in einer deutschen Großstadt gegen den Verfall ihrer Wohnungen kämpfen, dann stecken nicht selten dieselben Verursacher dahinter: Finanzkonzerne, deren Namen nur Insidern etwas sagen.
Quelle: ARD – Das Erste
Sollten Sie auf jeden Fall kennen.
Video:
Die Story im Ersten: Geld regiert die Welt
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