Nulldiät? Von wegen!

 IMMER WIEDER MITTWOCHS
13.11.2013

Diätempfehlung: Aufstocken lohnt sich

   Wozu gibt es Diäten. Nun, mit Diäten wollen viele Leute mager werden. Das wird im deutschen Politgewerbe oft fehlinterpretiert. Denn mager werden durch die Diäten nicht die Parlamentarier und Parlamentarierinnen. Mager sehen dafür oft die Ergebnisse aus, die mit Diäten honoriert werden. Der Begriff "Diäten"  ist für das Wahlvolk etwas verwirrend. Wir können ja kaum einen Schritt gehen, schon sind wir mit wohlgemeinten Diätvorschlägen konfrontiert. Jeder kennt irgendjemanden, der gerade auf Diät ist.

   Sobald Wähler zu Gewählten werden, bekommen Sie eine ganz besondere Diät vorgesetzt. Was im Normalbetrieb nicht selten als Horror empfunden wird, ist im Politikbetrieb die Versüßung des grauen Alltags. Was woanders zumeist Einschränkung oder Beschränkung bedeutet, soll bei Abgeordneten genau das Gegenteil bewirken. Denn im parlamentarischen Betrieb bedeuten Diäten "Aufwandsentschädigungen".

Die Abgeordneten erhalten für ihr Mandat eine finanzielle Entschädigung.
Die so genannten Diäten sollen Verdienstausfälle ausgleichen, die den
Abgeordneten durch die Ausübung ihres Mandats entstehen,
und ihre Unabhängigkeit garantieren.
(http://www.bundestag.de/service/glossar/D/diaeten.html)

   Damit ist das grundlegende Missverständnis beseitigt. Es dreht sich hier also um Verdienstausfall und nicht um  Gewichtsausfall. Das klärt zwar einiges, wirft aber auch Fragen auf. Geklärt ist durch diese Definition, weshalb die Parlamente sich vorwiegend aus den unteren Einkommensklassen zusammensetzen. Denn die Entschädigungshöchstgrenze z.B. für Mandatsträger/innen des Deutschen Bundestages beträgt seit dem 1. Januar 2013 ohne Extras monatlich nur 8.252 Euro. Dafür macht so mancher, ein Vorstand in einem DAX-Unternehmen, Bankdirektoren oder Millionäre allgemein keinen Finger krumm.

   Mercedes-Chef Dieter Zetsche auf einem harten Abgeordnetensitz in Deutschen Bundestag?  Die Gebrüder Albrecht eifrig bei Zwischenrufen.  René Obermann beim Smalltalk mit seinem Fraktionschef.? Ferdinand Piëch bemüht sich um einen Platz auf der Rednerliste? Susanne Klatten aus dem Hause Quandt Quandt auf dem Präsidentenpodest mit Quelleerbin Madeleine Schickedanz als Vizepräsidentin rufen das hohe Haus zur Ordnung? Gregor Gysi im Clinch mit Banker Josef Ackermann? Günther Jauch attackiert die Regierungserklärung der Kanzlerin? Michael Schumacher kontert Karl Lagerfeld?

   Aber es gibt nicht nur den Einkommensadel. Auch zwischen weniger exponierten Einkommen und den Politjobbern liegen noch Welten. Wie beklagte doch einst ein Kanzlerkandidat die skandalösen Verhältnisse: "Nahezu jeder Sparkassendirektor in Nordrhein-Westfalen verdient mehr als die Kanzlerin". Das läppische Grundgehalt der Kanzlerin wird in diesem Jahr bei etwa 17.000 Euro monatlich liegen, ohne Extras.
(http://www.tagesschau.de/inland/steinbrueck-kanzlergehalt100.html)

   Ein echter Verdienstausgleich als "Entschädigung" käme die Steuerzahler wohl sehr teuer, wenn die Großverdiener im Reichstag Einzug halten würden. Wer dagegen mit lediglich 5.000 Euro Gehalt oder gar als Bezieher von Arbeitslosengeld in den Bundestag einzieht, darf die volle Diät behalten und hat damit ein Schnäppchen gemacht. Die Diät,  das ist in dieser Branche nichts zum Essen sondern der Mindestlohn. Dieser Mindestlohn wird schon seit ewigen Zeiten von dem Empfängern und Empfängerinnen selbst festgelegt. Das ist eine bequeme Sache. "Tarifparteien" werden nicht in die Parlamente gewählt. Darum muss man sich dort bei der Gehaltsfindung auch nicht mit Ihnen rumschlagen. Streiken entfällt. Bei den Kleinverdienern im Wahlvolk tut man sich mit der Festlegung der Mindestlohngrenze traditionell etwas schwerer.

   Bei der Abgeordnetenbelegschaft geht das zügiger. Der Bundestagspräsident schlägt vor. Die Abgeordneten sagen ja und alles ist geritzt. Auch die Berechnung der Bezüge des Bundestagspräsidenten sind im Wesentlichen transparent gestaltet. Er bekommt einfach die doppelte Abgeordnetendiät verabreicht. Das sind inklusive Kostenpauschale ohne weitere Extras (2 x 8.152 Euro + 4.123 Euro) . Für die Praxis kann man sich merken, dass die Bezüge des Dreigestirns Bundestagspräsident, Bundekanzler/in und Bundespräsident alles in allem eng beieinander liegen. Wer etwa 200.000 jährlich als Einkommen annimmt, liegt sicherlich nicht ganz verkehrt.

    Damit der Präsident des Bundestages nicht so einsam ist und immer ganz allein das Wort erteilen muss, hat er Vizepräsidenten. Das sind nach der Wahl 2013 vier Frauen und zwei Männer, also ein Vize mehr als bisher. Diese "Aufstockung" ist nicht zu verwechseln mit der in weniger privilegierter Umgebung üblichen modernen Einkommensvariante. Wenn dort jemand mit regulärer Arbeit nicht genug verdient, bekommt er etwas dazu, damit es dann immer noch nicht reicht. Letzteres behaupten Kritiker und Betroffene.

   Zurück zum Parlament. Hier war also die erste Amtshandlung der neugewählten Mitglieder der Legislative natürlich die Wahl ihres Chefs, eben des Bundestagspräsidenten. Als nächstes folgte sogleich die Aufstockung des Präsidiums. Auf die Frage, warum denn nun sechs statt fünf Posten benötigt würden, hieß es zur Begründung aus den ersten Reihen der Mehrheitsfraktionen: das wäre angemessen. Bliebe die Frage, warum denn die Parlamente in den vorausgegangenen Legislaturperioden mit einem unangemessenen Bundestagspräsidium auskommen mussten.

   Die Vizepräsidenten und Vizepräsidentinnen bekommen dafür, dass Sie sich dieses Amt aufhalsen eineinhalb Diäten. Das sind nach dem Stand 2013 dann 12.378 Euro jeden Monat. Der zusätzliche Posten kostet über die vier Jahre zusätzlich 198.048 Euro Euro, ein Betrag also eher aus der Portokasse. Deshalb musste sich die Opposition wegen Ihrer Kritik an der Aufstockung auch Kleinlichkeit vorwerfen lassen. Da ist was dran. Es kommt nur darauf an, in welchen Größenordnungen gedacht wird. Ein Großunternehmen fechten solche Beträge nicht an. Sowas geht für ein paar Werbespots drauf, notfalls sogar für einen. Für einen Handwerker oder Freiberufler hingegen könnte eine derartige Kleinigkeit als Fehlbetrag das Aus bedeuten. Für die meisten Menschen "draußen im Lande" wären knapp 200.000 Euro bereits ein beachtliches Vermögen.

   Wer das Vizezusatzsalär in einen Mindestlohnarbeitsplatz umrechnet kommt auf den Gegenwert von knapp 3 Arbeitsplätzen zum gegenwärtig diskutierten monatlichen Mindestlohn von 1.445,00 Euro (8,50 Euro/Std.). Das bedeutet, die Bundestagsverwaltung könnte mit dem früheren kleineren Präsidium 3 Vollzeitarbeitsplätze über 4 Jahre finanzieren. Solch nachhaltiges Denken ist nicht immer die Sache des Parlaments. Wir kennen das im großen Stil von der problematischen Staatsverschuldung. Die ist schließlich ohne die ausdrückliche Zustimmung der Abgeordneten nicht machbar.

   Die Beschäftigten genehmigen sich ihr eigenes Einkommen selbst. Eine tolle Sache. Sie greifen direkt in die Kasse. Das kann kein Mitarbeiter und keine Mitarbeiterin eines herkömmlichen Unternehmens. Nur die Unternehmer oder Eigentümer selbst können so etwas tun. Die entscheiden natürlich über Ihre eigenen Bezüge, nur dass ihnen der Laden eben gehört. Der Staat mitsamt seinen Institutionen und Einnahmen gehört aber nicht den Abgeordneten. Das wird dort gelegentlich vergessen. Noch häufiger greift diese Amnesie nach dem Aufrücken in Regierungsämter um sich.

   Im Wirtschaftsleben wird versucht, Einkommen und Position an den Anforderungen und Leistungen zu orientieren. Das gelingt nicht immer. Wenn aber zu heftig gegen diese Regeln verstoßen wird, folgt über kurz oder lang das Ausscheiden aus diesem Wirtschaftsleben. Der Insolvenzverwalter tritt auf den Plan, um zu retten, was noch zu retten ist. Im Bereich der parlamentarischen oder regierungsbedingten Beschäftigungen finden wir gelegentlich einen entspannteren Umgang mit solchen Zwangsläufigkeiten..

   Bleiben wir beim Bundestagspräsidium als Beispiel. Hier wird nicht mit finanzieller Zuwendung belohnt, wer besonders geschickt eine große Versammlung leiten und das Hohe Haus innovativ und pfiffig in Schuss halten kann. Hier geht es um ganz andere Dinge. Die repräsentative Darstellung einer Partei kann bei der Postenvergabe genauso eine Rolle spielen wie die Fürsorge um die materielle Versorgung. Auch als Mittel der Belohnung für treue Dienste eignet sich das Amt vorzüglich.

   Es ist eine kaum bestrittene Praxis, dass altgediente Funktionäre (gerade auch nach ihrem Scheitern) mit Ausgleichsposten geehrt werden. Der Bereich der Europäischen Union ist dabei eine beliebte Auslagerungsstelle. Dann gibt es Stiftungen, Verbände und allerlei weitere Institutionen, bei denen man die Getreuen entsorgen kann.

    Schauen wir einmal auf die aktuelle Personalauswahl. Eine der neuen Vizepräsidentinnen war einst lange Jahre Parteivorsitzende. Sie ist bei der Kür der Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl von Ihrer Partei ignoriert worden und hat ein empfindliches Minus bei der späteren Wahl einstecken müssen. Vielleicht hat die Partei ein schlechtes Gewissen bekommen. Die nachträgliche Belohnung: Eineinhalbfache Abgeordnetendiät. Eine weitere neue Vizepräsidentin wurde als Gesundheitsministerin regulär im Jahre 2009 abgewählt. Zuvor hatte Sie mit Ihrem Dienstwagen Schlagzeilen gemacht, der ihr im Urlaub in Spanien gestohlen worden war. Sie hat sich wacker geschlagen und viel durchgemacht. Das ist eine liebevolle Zuwendung allemal wert.

   Nehmen wir noch einen dritten neuen Vizepräsidenten. Der hat sich früher einmal als Generalsekretär seiner Partei verdient gemacht und war zu letzt als parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium beschäftigt. Da könnte der Positionswechsel von Weitsicht zeugen. Sollte das Wirtschaftministerium an den neuen Koalitionspartner der bisherigen Regierungspartei fallen, stünde der Mann mit seinem einfachen Abgeordnetenmandat nackt da.

   Runden wir den Ausflug in die Diätenfrage mit einem Blick auf die fachlichen Qualifikationen ab. Das wäre natürlich ein abendfüllendes Thema. Bleiben wir bei einem Miniausschnitt aus der ganz gewöhnlichen parlamentarischen Praxis. Hätten wir da nicht das Bundesverfassungsgericht, wäre es in unserer Volksvertretung schon drunter und drüber gegangen. Dabei muss allerding ganz offen und ehrlich eines anerkannt werden. In einem vierjährigen Praktikum kann kaum jemand mit allen Wassern gewaschen werden. Und die alten Hasen haben sich oft die Pfoten wund gelaufen. Sie werden ja auch immer weniger.

   Im deutschen Bundestag ist der öffentliche Dienst und der juristische Sachverstand überproportional vertreten. Aus diesem Grund ist es ganz erstaunlich, dass es den Volksvertreten immer wieder misslungen ist, ein grundgesetzkonformes Wahlrecht auf die Beine zu stellen. Immer wieder mussten die Verfassungshüter eingreifen. Wer nun geglaubt hat, mit der letzten Änderung des Bundeswahlgesetzes kurz vor der Wahl wäre der große Wurf endlich gelungen, ist wieder enttäuscht worden. Verdrießen wir uns das Dasein nicht mit Einzelheiten. Greifen wir die Fortsetzung dessen heraus, was sich durch unsere gesamt Betrachtung bezieht: die finanziellen Folgen.

   598 Sitze soll das Parlament umfassen. Soviel Abgeordnetenjobs sind zu vergeben, möchte man meinen, Im 18. Deutschen Bundestag sitzen jedoch 631 Diätenempfänger/innen. Wie das? Das Stichworte sind Überhangs- und Ausgleichsmandate. Auf diese personelle Erweiterung will niemand verzichten. Es könnte übrigens zu eine bedeutend hören Zahl der Abgeordneten kommen. Diesmal sind es zum Glück eben nur 33. Rechnen wir nach, halten aber zuvor noch die wichtigsten Extras der Bezahlung fest.

Artikel 48 Grundgesetz:

(3) Die Abgeordneten haben Anspruch auf eine angemessene,
ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung.
Sie haben das Recht der freien Benutzung aller staatlichen Verkehrsmittel.
Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

   Das ist natürlich ein schönes Privileg. Wir lassen es bei Berechnungen hier jedoch außer Ansatz, genauso wie Büroausstattung, Mitarbeiter, Sachleistungen, Mitarbeiterpauschale, Fahrdienst, Übergangsgeld und Altersversorgung.

   Wir addieren nur die monatlich Kostenpauschale von derzeit 4.123 Euro hinzu. Das ergibt zusammen monatlich 12.375 Euro. Für 33 Abgeordnete sind das in vier Jahren 19.602.000 Euro (19,6 Millionen) oder 4,9 Millionen Euro jedes Jahr. Mit allem drum und dran ist der Betrag natürlich weit höher, auch wenn die Grunddiät im Gegensatz zu Kostenpauschale versteuert werden muss.

   Natürlich sind Parlamentarier/innen Teile des Volkes, das Sie vertreten. Somit vertreten Sie auch Ihre eigenen Interessen. Das sei ihnen zugestanden. Wir können auf diese Weise gut nachvollziehen, warum die vielen anderen Interessenvertreter so intensiv die Nähe der Politik suchen. Für Lobbyisten kann sich jeder Handschlag und jede noch so kleine Passage in einem Gesetz millionenfach in barer Münze umschlagen. So ist die "Möwenpick-Steuer" zum Markenzeichen einer politischen Partei geworden, aber auch ein Bundespräsident letztlich wegen gut 700 Euro jetzt ohne Frau und Amt vor einem Strafgericht gelandet, nur weil er sich dem Verdacht ausgesetzt sieht, in einem früheren Job einem Filmschaffenden zu nahe gekommen zu sein. Trotzdem, wer keine Lobby hat, ist Neese.


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